Standardporno? Nein danke!
Von Redaktion, veröffentlicht am 04.05.2015
„Die Frau ist weder Heilige noch Hure. Sie ist beides zugleich – und noch viel mehr“
Erika Lust gilt als Pionierin im Frauen-Porno-Geschäft. Die 37-Jährige Filmregisseurin wird mit internationalen Auszeichnungen überhäuft. Da gab es beispielsweise den „Best Movie of the Year“-Preis bei den Feminist Porn Awards in Toronto, oder die Trophäe für den „Besten Erotischen Dokumentarfilm“ bei den Venus Awards in Berlin. Mit uns sprach die gebürtige Schwedin über klassische Männerpornos und den Erfolg von „Fifty Shades of Grey“. Wir trafen die Produzentin zum Interview.
Eine Frau, die Pornofilme produziert – damit bist Du eher die Ausnahme. Was hat Dich dazu bewogen?
Ich finde die herkömmlichen Mainstream-Pornos schrecklich unerotisch und voller alter Klischees: verzweifelte Hausfrauen, Bunnys, unersättliche Krankenschwestern … Meistens geht es um rein männliche Fantasie, die angeblich die Vorstellungen der Frauen zeigt. Die meisten Filme sind einfach schlecht gemacht…
Und so hast Du dich entschlossen, ein neues Genre zu erfinden?
Ja, aber es war ein längerer Prozess. Ein paar Jahre nach meinem Studium – ich habe Politikwissenschaften und Feminismus studiert – ging ich nach Barcelona und arbeitete dort als Produktionsassistentin. So lernte ich, wie man Filme macht. Ich liebte das Filmemachen und besuchte deshalb einen Regie-Kurs, für den ich einen Kurzfilm produzieren musste. Da dachte ich mir: „Warum nicht einen Porno machen, den ich mir selbst gerne ansehen würde?“ So entstand 2004 mein erster Film: „The Good Girl“.
Wie waren die Reaktionen?
Durchweg positiv, was mich komplett überraschte! Da begriff ich, dass ich die Möglichkeit hatte, Frauen eine Stimme in der Porno-Industrie zu geben und gründete meine eigene Firma: Lust Films.
Wodurch zeichnen sich Deine Filme aus?
Sie zeigen die wahren Wünsche der Frauen, die Frau ist in meinen Filmen der Hauptdarsteller, die weibliche Sexualität Dreh- und Angelpunkt. Auch die Ästhetik spielt eine wichtige Rolle. Ich versuche echte Lust und Intimität zu zeigen, erzähle, wer die Figuren in den Filmen sind und warum sie gerade zusammen im Bett oder sonstwo liegen. Ich denke, wir Frauen sehnen uns nach Kontext. Wird nichts der Fantasie überlassen, entsteht keine Erotik.
Es geht also auch darum, eine Identifikationsfläche zu schaffen?
Ja, Frauen wollen eine große Bandbreite an Situationen sehen, in denen sie sich auch selbst befinden könnten. Und, am allerwichtigsten: Ihnen geht es um echte Leidenschaft. Im Übrigen liebt auch eine ganze Reihe von Männern diese Art von Filmen.
Wie wählst Du Deine Schauspieler aus?
Beim Casting achte ich auf Einzigartigkeit. Das kann eine bestimmte Eigenheit sein, oder auch ein Stil. Die Chemie muss einfach stimmen. Es gibt keinen bestimmten Typus, die Darsteller sind ganz unterschiedlich. Einige professionell, viele von aber auch ganz neu im Pornobusiness. So entsteht eine großartige Mischung!
Woran arbeitest Du gerade?
Mein neuestes Projekt „XConfessions“ besteht aus Kurzfilmen, die von den sexuellen Fantasien und Bekenntnissen des Publikums inspiriert sind. Auf xconfessions.com erzählen Nutzer anonym von ihren verruchtesten Fantasien und ich mache daraus erotische Kurzfilme daraus.
Wie lange dauert denn eigentlich so ein Dreh?
Meistens einen Tag. Aber es ist ein sehr stressiger Tag! Das Filmen der Sex-Szenen dauert im Grunde nur rund 45 Minuten, aber davor brauchen wir viel Zeit für Haare und Make-up, Kostüm, Beleuchtung.
Sind Frauen heutzutage offener für Pornos
Es ist viel passiert in den letzten Jahren. Porno verändert sich – und das ist gut so! Es ist großartig, endlich auch Frauen in der Diskussion dabei zu haben.
Daran ist „Fifty Shades of Grey“ vermutlich nicht ganz unschuldig?
Stimmt, Frauen reden seitdem offener über Sexualität und Pornografie. Sie haben jetzt den Mut, zu den Pornos zu stehen, die sie sehen wollen. Nur schade, dass so etwas vor dem Hintergrund einer ziemlich klischeebehafteten, chauvinistischen Story passieren musste…
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