Experiment Darkroom
Von Nele, veröffentlicht am 22.05.2017
Ein geheimnisvolles Schloss unter alten Bäumen, Nebelschwaden, Fackelschein… und dann, endlich, öffnet sich die schwere Eisentür und ich betrete: absolutes Neuland.
Es ist mein allererstes Mal im Swingerclub. Heute ist die „Nacht der Masken“ und ich will die Gunst der Stunde nutzen, um à la „Eyes Wide Shut“ im geheimnisvollen Innern des Schlosses meine erotischen Fantasien wahr werden zu lassen. Geschützt durch hohe Burgmauern. Unerkannt und ungeniert. Nur das Hier und Jetzt genießen. Berühren, verführen, fühlen und gefühlt werden. Fremde Hände, fremde Haut, fremde Lust.
In den verschiedenen Flügeln erschließt sich ein Reich der Sinnlichkeit, Gewölbe und Säle voller lustvoller Möglichkeiten. Ich trage einen schwarzen Reifrock, ein mitternachtsblaues Mieder, das meine Brüste verführerisch zusammen presst. Und natürlich trage ich dem Dresscode entsprechend eine Maske. Eine hauchzarte, filigrane, die meine obere Gesichtshälfte bedeckt. Mit dem kühlen Champagnerglas in der Hand steige ich vorbei an imposanten Bildergalerien und stimmungsvoll dekorierten Kemenaten eine breite Wendeltreppe empor. Irgendwo aus den hinteren Räumen erklingt Piano-Musik. Ich betrete einen üppig ausgestatteten Gewölbekeller. Hier warten Möbel aus Leder und Stahl auf Spiele der besonderen Art. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Dann werde ich Zeuge einer kunstvollen Fesselung. Sehe Hände und Füße, weit gespreizt, in Ledermanschetten. Die Frau blickt in meine Richtung. Ich kann förmlich spüren, wie sehr sie das Gefühl der Ohnmacht genießt. Das Gefühl, ihm vollkommen ausgeliefert zu sein. Mal zieht er das Seil hart an, lässt sie seine Macht spüren, nur um sofort danach wieder ganz sanft zu sein.
Ich laufe einen schmalen Gang entlang, von dem rechts und links Räume abzweigen. In jeder Zwischenwand befinden sich kleine Holzwände auf Hüfthöhe, die man nach Belieben zur Seite schieben kann, um Dinge hindurch zu stecken, hinein zu greifen oder klammheimlich das erotische Geschehen zu beobachten. Gebannt starrte ich durch das Guckloch, erspähe ein kleines Grüppchen, das sich zwischen roten Kissen räkelt.
Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und begebe mich auf meinen Tastsinn vertrauend in die aufregende Dunkelheit des Darkrooms. Ich habe meine Hand kaum ausgestreckt, um mich vorwärts zu tasten, als ich einen Körper fühle. Ehe ich mich versehe, berühren Lippen meinen Mund. Lippen, die zu weich sind, um einem Mann zu gehören. Zärtlich, aber bestimmt zieht die fremde Frau mich zu sich heran. Ihre Zunge wandert sanft meine Lippen entlang und hinterlässt dort den Geschmack von Gin, während ihre Finger unter den Saum meines Kleides rutschen. Ein warmer, schwerer Atem streift mein Ohr. Dann kommen plötzlich weitere Hände dazu. Ich zähle mindestens sechs, eine tänzelt geschickt die Innenseite meiner Schenkel entlang. Auch meine Hände beginnen – erst zögernd, dann immer sicherer – die Körper zu erkunden. Ich ertaste starke Oberarme, schmecke salzige Haut. Ich liebe das Gefühl, wenn die Gänsehaut den Rücken hochkriecht. Nur das Hier und Jetzt zählt. Ich berühre, verführe, fühle: fremde Hände, fremde Haut, fremde Lust. Und als sich am Ende dieser Nacht die schwere Eisentür hinter mir schließt, weiß ich, dass ich wiederkommen werde…
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