Pornoproduzentin aus Leidenschaft
Von Redaktion, veröffentlicht am 06.07.2015
Petra Joy produziert Pornos aus weiblicher Sicht. Ihre „artcore“-Filme wie „Female Fantasies“ und „The Female Voyeur“ sind mittlerweile Kult und wurden weltweit mehrfach preisgekrönt. Wir trafen die 50-Jährige zum Interview.
Petra, Du hast Geschichte und Filmwissenschaften studiert und Dokumentarfilme für’s deutsche Fernsehen gemacht – wie bist Du von dort zum Pornodreh gekommen?
Schon als junge Frau interessierte ich mich brennend für Sexualität und Film. Im Studium habe ich dann nach erotischen Filmen gesucht, die mich auch persönlich ansprachen. Aber da gab es leider so gut wie nichts.
Nach welchen Filmen hast Du denn genau gesucht?
Nach Filmen, in denen die Frauen mehr sind als nur Sexobjekte, in denen sie selbstbestimmt sind und das bekommen, was sie wollen. Ich wollte Filme sehen, in denen es um Frauenfantasien geht. In den 80ern war die Frau im Porno meist nur Mittel zum Zweck, das fand ich schrecklich. Ich habe mich öffentlich gegen diese Art von Pornos gestellt. Mit zunehmendem Know-How als Filmemacherin kam mir dann die Idee, es einfach besser zu machen. Ich hatte das Handwerkszeug, kreative Ideen und Lust ein Genre zu revolutionieren.
Was macht Deine Filme so besonders?
Meine Filme erzählen aus weiblicher Sicht. Der Blickwinkel ist ein anderer. Ich zeige schöne Männer gerne im Detail. Dabei geht es nicht nur um Penisse, sondern auch um schöne Hände und Ausstrahlung. Die Grundfrage in meinen Filmen lautet immer: Was will die Frau? Was macht sie geil?
Hast Du ein Beispiel parat?
Ich zeige gerne bisexuelle Männer oder Männer, die es sich selbst besorgen. Bei mir sind Männer das Objekt der Begierde. Es gibt eine Szene, in der zwei Männer gleichzeitig eine Frau zum Orgasmus lecken. In klassischen Pornos ist es meist umgekehrt, da steht der Blowjob im Mittelpunkt. Am Ende spritzt er ihr ins Gesicht – und Schnitt, Ende des Films. Das gibt es in meinen Filmen nicht. Weil es mich langweilt. Denn nach seinem Orgasmus kann das Liebespiel doch bitteschön weiter gehen, er hat eine Zunge und Finger…
Du arbeitest ausschließlich mit Amateuren – gibt es da eine Art Casting oder wie wählst Du die Darsteller aus?
Zunächst gibt es einen ausführlichen Fragebogen, wo es mir um die Fantasien und Vorlieben geht. Brustumfang oder Penislänge sind nebensächlich. Die persönliche Ausstrahlung ist entscheidend, Sinnlichkeit. In meinen Filmen herrscht übrigens eine silikonfreie Zone, Natürlichkeit und Individualität stehen an oberster Stelle. Ich habe mal mit einer charmanten Frau über 50 gedreht. Sie hatte Rundungen und Falten – und sie war wunderbar! Weil sie genau wusste, was sie wollte und ganz unbefangen ihre Lust ausgelebt hat. So etwas finde ich viel heißer als eine perfekte Hülle.
Was ist Dir beim Dreh besonders wichtig?
Dass sich alle Darsteller auf Augenhöhe begegnen und Spaß an der Sache haben. Wir lachen sehr viel beim Dreh…
Wie gelingt Dir eine so entspannte Atmosphäre am Set?
Wir haben die Location oft ein oder zwei Tage gemietet, damit kein Zeitdruck entsteht. Dort schaffen wir ein tolles Ambiente mit warmer Beleuchtung und passender Deko. Es ist mir wichtig, dass wir den Job nicht als „Arbeit“, sondern kreatives Miteinander erleben. Dafür müssen alle einander voll vertrauen. Da es im Film keine Dialoge gibt, konzentrieren wir uns auf das Wesentliche: den sinnlichen Sex, inklusive lustvollem Vorspiel. Wenn die Darsteller in Stimmung sind, legen sie los. Ob das nun eine Stunde dauert oder nur fünf Minuten ist völlig egal. Ich unterbreche nicht beim Dreh. Schneiden kann ich am Ende immer noch. Bei uns am Set ist der Sex authentisch. Wir faken den Höhepunkt nicht mit Spermaersatz aus Tuben.
Du wagst dich auch gern mal an Tabuthemen, oder?
Ja, wir haben mal eine Szene gedreht, in der die Frau einen Strap-On trug und drei heiße Kerle ihr nacheinander einen Blowjob verpassten. Natürlich hat sie das nicht gespürt, aber sie hatte den „Kick“ im Kopf. Genau darauf kommt es an beim Sex, beim guten Sex.
Haben sich die sexuellen Fantasien von Frauen eigentlich in den letzten Jahren verändert?
Nein, aber wir sprechen viel offener darüber. Die Scham ist vorbei. Ich glaube, wir stecken mitten in einer zweiten sexuellen Revolution – und ich bin glücklich, ein Teil davon zu sein. Immer mehr Frauen leben ihre sexuellen Fantasien frei aus, drehen ihre eigenen Filme auf dem Smartphone. Manche schicken mir diese Werke und möchten mein Feedback.
Apropos Feedback – was hältst Du eigentlich von dem ganzen Hype um „Shades of Grey“?
Mich langweilt dieser Film. Die Rollenklischee „reicher Mann trifft junge unschuldige Frau“ hat für mich das veraltete Sexappeal der 50er-Jahre. Das ist doch nicht mehr zeitgemäß. Aufregender hätte ich es gefunden, wenn SIE ihre eigenen devoten Fantasien mit Mr. Grey ausleben wollte, statt ihm nur aus Liebe und nicht aus Lust diesen Gefallen zu tun. Oder noch besser: Wenn SIE den dominanten und Mr Grey den devoten Part gespielt hätte.
Denkst Du, dass viele Frauen Fantasien haben, die sie nicht mit dem Partner teilen?
Ganz sicher. Das ist auf der einen Seite schade, auf der anderen aber auch nachvollziehbar: Männer fühlen sich schnell angegriffen, wenn man sie sexuell um etwas bittet. Für viele ist ja einen schon ein Dildo Konkurrenz. Mein Tipp: Frauen sollten ihre Sehnsüchte positiv formulieren, so ist es einfacher für den Mann. Sie können etwa sagen „Ich möchte mehr davon“ oder „Wir würden beide daran gewinnen, wenn wir ….“ Und: Kritik sollte nicht unmittelbar auf den Sex folgen, wenn man noch eng umschlungen daliegt, dann ist man einfach verletzlicher.
Was erwartet uns denn eigentlich in Deinem nächsten Film…
Für den Herbst habe ich „Come Together“ geplant, so lautet der Arbeitstitel, also: „zusammen kommen“. Fast alle Szenen sind im Kasten. Wir drehen noch einen spannenden Dreier im Juni und dann geht es an den Schnitt. Aber vorher erscheint noch ein atemberaubender Fetisch Film der preisgekrönten Künstlein Maria Beatty mit dem Namen „Black Widow“. Der inspirierende Film zelebriert das Spiel mit der Dominanz in fantastischen Bildern und mit wunderschönen Darstellerinnen. Obwohl ich normalerweise nicht auf Lesben-Filme stehe, finde ich diesen Film total heiß und habe mich deshalb entschlossen, ihn in meinen Vertrieb aufzunehmen.